Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Traumapädagogik zur aktuellen Situation minderjähriger Flüchtlinge
Thomas Wahle
Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Traumapädagogik zur aktuellen Situation minderjähriger Flüchtlinge
Die jährlich steigende Zahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen stellt viele Kommunen wie auch Träger der Kinder- und Jugendhilfe mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor enorme Herausforderungen in der Aufnahme und Unterbringung. Geltende Standards der Kinder und Jugendhilfe werden (können?) vielfach nicht eingehalten. Als Reaktion der Politik wird eine Wiedereinführung von (bundesweiten) Verteilverfahren gefordert, um eine „gerechte" Lastenverteilung zu erreichen. Um die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und für die Fachkräfte grundlegend zu verbessern, ist jedoch ein kindgerechtes Aufnahmesystem notwendig. So unterschiedlich die Herkunftsländer und die Fluchtumstände von unbegleitet minderjährigen Flüchtlingen sind, gemeinsam sind den Kindern und Jugendlichen meist sehr belastende, traumatisierende Erfahrungen im Herkunftsland und auf der Flucht, eine ungewisse Zukunft in einem fremden Land ohne die Unterstützung einer familiären Bezugsperson und das Ziel, in Deutschland bzw. einem europäischen Land eine sichere und erfolgreiche Zukunft aufzubauen. Die Einführung einer quotalen Verteilung der Kinder und Jugendlichen werden das Dilemma der Kommunen nicht lösen und eine Einhaltung der Kinderrechte nicht garantieren können.
Das Bundeskabinett hat am 15. Juli das sogenannte "Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher" des BMFSFJ verabschiedet. Dieses regelt faktisch ausschließlich eine bundesweite Umverteilung nach Quote. Das Verteilungsverfahren ist ausgerichtet am Königsteiner Schlüssel. Andere Problembereiche werden nicht berührt, die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls wird auf eine Kindeswohlgefährdungsprüfung reduziert. In dieser Schlüsselfrage unterscheidet sich die Verteilungsentscheidung von nahezu allen anderen Entscheidungen in der Kinder- und Jugendhilfe, die am Bedarf im Einzelfall ausgerichtet sind – die Betroffenen befinden daher sich per se stärker in einer Objektstellung.
Kommt ein minderjähriger Unbegleiteter in eine Kommune, die keine Erfahrungen im Umgang mit unbegleitet minderjährigen Kindern und Jugendlichen hat, so ist die Inobhutnahme nach SGB VIII in der Regel zwar (optimal) gewährleistet, die besonderen Bedarfe wie beispielsweise Übersetzung, medizinische Versorgung, ausländerrechtliche Schritte, Bildungsperspektiven und vieles mehr sind allerdings oft nicht berücksichtigt. Die zuständigen Amtsvormünderinnen und Amtsvormünder in den entsprechenden Kommunen, die sich das erste Mal mit einem ausländischen Mündel beschäftigen, sind mit den ausländerrechtlichen Anforderungen in Bezug auf den minderjährigen Unbegleiteten und seinem biographischen Hintergrund überfordert. So erhalten diese nicht die kinder- und jugendgerechte Versorgung und Unterstützung, die ihnen zustünde.
Eine ausführliche Stellungnahme des Bundesfachverbands Unbegleitet minderjährige Flüchtlinge e.V. zum ersten Gesetzentwurf, die der Vorstand der BAG Traumapädagogik teilt, sowie weitere Stellungnahmen der Verbände finden sie auf der Webseite des Bundesfachverbandes Unbegleitet minderjährige Flüchtlinge e.V.
Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V.
Der Vorstand der BAG Traumapädagogik hat sich zum Ziel gesetzt, lebensgeschichtlich belastete unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche auf der Flucht stärker in das Blickfeld ihres Engagements zu setzen. In der Klausurtagung des Vorstands der BAG Traumapädagogik mit den aktiven Mitgliedern wurde deshalb die Gründung einer Arbeitsgruppe „Trauma und Flucht“ unter Leitung von Berthold Engelke beschlossen. Erwartungshaltung und Ziel ist die Erarbeitung von Vorschlägen für eine strukturelle Verbesserung der Lebenssituation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sowie eine Vernetzung und Kooperation mit weiteren Fachverbänden, Projekten, Trägern etc., die sich zum Ziel gesetzt haben, die schwierige rechtliche und soziale Situation dieser Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Erste Kooperationsgespräche wurden mit dem Bundesfachverband Unbegleitet minderjährige Flüchtlinge e.V. geführt und werden im Herbst 2015 fortgesetzt.
Für Rückfragen bzw. Anfragen zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe „Trauma und Flucht“ wenden sie sich bitte an Berthold Engelke unter der Mailadresse
Stand: 19. Juli 2015
Berthold Engelke
Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Traumapädagogik e.V.Mödsiek 40
33790 Halle / Westfalen